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Das älteste Handwerk

ältestes Getreideanbaugebiet seit 11000 v. Chr.

Das älteste Handwerk der Welt

Die Mühle ist die älteste Maschine, die ohne menschliche oder tierische Arbeitskraft angetrieben wird, und ist seit der römischen Antike in Mitteleuropa nachweisbar. Auch wenn die Herleitung der Technologie von Wassermühlen vom vertikalen Wasserrad der Römer bis hin zu den mittelalterlichen Getreidemühlen Gegenstand vieler Darstellungen ist, sollen im Folgenden die Bedeutung von Getreide, sowie die wichtigsten Grundlagen der antiken und neuzeitlichen Mühlen kurz erläutert werden. 

Getreide wurde nahezu weltweit und unabhängig voneinander in verschiedenen Teilen der Welt angebaut. Als ältestes Getreideanbaugebiet seit 11000 v. Chr. gilt der „Fruchtbare Halbmond“, das Hügelland im nördlichen Mesopotamien, gefolgt von Ägypten, Pakistan und China. Ackerbau und Getreidenahrung bewirkten bedeutende Kulturimpulse, da Ernte und Lagerung in immobilen Vorratsbehältern die Sesshaftwerdung und Viehzucht förderten. Erst mit der Aufgabe des Jäger- und Sammlerdaseins entstanden feste Häuser und Ansiedlungen, sowie der Begriff des Eigentums. Die Ackerbauern und Viehzüchter waren durch intensives Wirtschaften an einem Ort fähig, eine nicht-agrarische Schicht der Kaufleute, Priester und staatlichen Oberhäupter zu ernähren und förderten somit gesellschaftliche Stratifikation. Von dieser enormen Kulturleistung des Getreides darf nicht automatisch auf eine ebensolche im Mühlensektor geschlossen werden. Die ersten Geräte zur Bearbeitung des Weizens zeichneten sich durch langlebige Einfachheit aus. Handbetriebene Quetschmühlen oder Mühlsteine, deren weite Verbreitung von Ägypten bis Russland durch sprachliche Forschungen belegt ist, wurden ausschließlich von Frauen bedient.

Quelle: Martina Switalski

Fruchtbarer Halbmond

Mühlen in der griechisch-römischen Antike

Erst in der griechisch-römischen Antike im zweiten vorchristlichen Jahrhundert wurde diese mühevolle Arbeit durch die Erfindung eines waagerecht auf einem Tisch liegenden Steins, der mit Hilfe eines längeren Hebels auch durch Esel oder Wasserkraft gedreht werden konnte, abgelöst. Die menschliche Arbeitskraft wurde durch Tier- oder Naturkräfte ersetzt. Hier kann erstmals vom homo faber gesprochen werden, der nicht nur fähig war, hölzerne, steinerne oder metallene Werkzeuge für seine Hände zu schaffen, sondern auch die Kraft zur Betätigung dieser Werkzeuge, in diesem Fall die Wasserkraft, erkannte. Dieser technische Fortschritt der wassergetriebenen Steinmühlen bewirkte den Beginn einer neuen Sozialordnung durch die Spezialisierung des Handwerks. Das Werkzeug schuf das Gewerbe, und statt Sklaven oder Frauen, die sowohl das Mahlen wie auch das Backen übernommen hatten, bildete sich mit der Wassermühle der Beruf des Müllers und des Bäckers heraus. 

In einer zweiten technischen Entwicklungsstufe richteten die Römer das horizontal kreisende Wasserrad in senkrechte Stellung auf und übertrugen seine Bewegungen mittels Zahnräder auf horizontale Mühlsteine, die sich so rund fünfmal schneller drehen und in Reihenschaltungen zu enormen Leistungen gebracht werden konnten. Vorrangig bestand durch die römischen Expansionserfolge und dem damit zusammenhängenden Sklavenüberfluß keine dringende Notwendigkeit, diese inventio auch in den allgemeinen Gebrauch, die usurpatio, zu überführen, so dass Gautier mit Recht schreiben konnte, daß „Roms Beherrschung der Naturkräfte" nicht der Entwicklung seiner politischen Organisationen entsprach. Erst nach dem Zerfall des römischen Imperiums und seines Sklavenmarkts verbreitete sich die Mühlentechnik in Mitteleuropa. 

Quelle: Martina Switalski


Mühlen seit dem Mittelalter

Im Mittelalter wurden Wassermühlen in Gesetzesvorlagen wie der Lex Salica (um 450 n. Chr.) oder den Kapitularien Karls des Großen gefördert, und spätestens seit dem 10. Jahrhundert waren sie nördlich der Alpen als Antriebsmaschinen unentbehrlich.

Frühe Belege für die Existenz von Wassermühlen liefert die Archäologie. 1993 entdeckte man im Paartal östlich von Augsburg die bisher älteste germanische Wassermühle, einen Strohdachbau mit den Resten eines 1,60 m hohen Mühlrads. Die dendrochronologische Analyse des Birkenholzes und der buchernen Schaufeln lässt auf eine Bauzeit der Mühle im Winter 696/7 schließen.

Besonderes Interesse an der frühen Förderung von Mühlen hatten aus monetären Gründen die Grundherren und aus arbeitsrationalisierenden Ursachen die Klöster. Die Regel des 529 gegründeten Benediktinerordens forderte für jedes Kloster eine Kornmühle und auch unter den Konversen, den Laienbrüdern des Zisterzienserordens gab es zahlreiche Mühlenbauer. Der Zisterzienserorden nahm zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert eine besondere Vorreiterrolle im Technologietransfer von Westen in die deutschen Kolonien östlich der Elbe ein. Im Rahmen der klösterlichen Eigenwirtschaft, die neben der autarken Nahrungsmittelversorgung auch Salzabbau und Bergbau beinhaltete, kam die Nutzung natürlicher Energie programmatisch zum Einsatz. Der Förderung der Mühlen durch die Obrigkeit folgte der Wunsch nach Kontrolle dieser kapitalintensiven Unternehmungen. So entstand der jahrhundertelang gültige Mühlenbann. Während es im Frühmittelalter noch jedem kapitalkräftigen Unternehmer gestattet war, eine Mühle zu errichten, wurde dies ab dem 10. Jahrhundert durch ein Mühlenmonopol unmöglich gemacht. Der Mühlenbann, ein grundherrliches Gewerbebannrecht, wurde 1158 von Friedrich Barbarossa zunächst für italienische und später auch für deutsche Landesfürsten und Grundherren ratifiziert. Fortan verfügte der Grundherr in Übereinkunft mit dem Landesherren über das Recht zum Bau einer Mühle, stellte das Baumaterial, ließ seine Grundholde den Aufbau des Gebäudes in Frondiensten leisten und gebot den Untertanen allein auf der grundherrlichen Mühle mahlen zu lassen. Die Grundherren sicherten den Besitz ihrer großen, teuren Mahlwerke durch Bannrechte ab und fügten der feudalistischen Wirtschaftsform zwei Charakteristika hinzu: dynamischen Kapitaleinsatz und eine auf neuer Technik basierende Arbeitsteilung zwischen Müllerhandwerk und Bauern.

Offizielles Ziel des Mühlenmonopols war ein lebensfähiges und begrenztes Mühlennetz. Da aber die Grundherren an jedem neuen Wasserrad verdienten und dementsprechend viele konzessionierten, sprach man bereits im Mittelalter von Übersetzung. Dieser terminus technicus bezeichnet den flächenmäßig engen Bestand von Mühlen, der angesichts der weitreichenden Nutzung von Mühlen auch nicht verwunderlich ist. Mühlen dienten ab dem Hochmittelalter nicht mehr ausschließlich dem Nahrungsgewerbe zur Herstellung von Mehl und Braugerste. Ihre Technik wurde in Hammerwerken und Walkmühlen, in Papier- und Sägemühlen, sowie in Öl- und Zuckermühlen eingesetzt. Das Prinzip der Kraftübertragung wurde aber auch für einzelne Arbeitsschritte kopiert und in Pochwerken zum Zerkleinern von Erz, Farben, Gewürzen, Öl, Pulver, Lohe, Gips, Knochenmehl, Papier und später Tabak verwendet. In den Schmieden trieben Mühlräder die Blasebälge, Pumpen oder Schleifsteine an. Im Bergbau wurde Mühlentechnik für die Winden der Umkehrgetriebe, die Bewetterung der Stollen und für Saug- und Druckpumpen installiert. Das Mühlrad war ein unentbehrliches Werkzeug geworden und verhalf Europa vom 11. bis zum 13. Jahrhundert zu einer mechanischen Revolution.

Fernand Braudel spricht sogar von einer „Mühlenrevolution“ und benutzt die Mühlen als Standardmaß, um die Energieversorgung im vorindustriellen Europa zu messen. Er vergleicht die Energieleistung der angenommenen 500.000 bis 600.000 Wassermühlen des vorindustriellen Europas mit weiteren Kraftquellen der Zeit und ordnet die Wassermühlen hinter der Zugkraft der Pferde und der Energiequelle Holz an dritter Stelle ein.

Die Energiesteigerung senkte die Bedeutung der Handarbeit und die Faktoren Kapital und technisch-wirtschaftliches Wissen erschufen im Hochmittelalter eine neue, arbeitsteilige Produktionsweise. Über acht Jahrhunderte nach der Erfindung der Wassermühlentechnik durch die Römer wurde die antike inventio in die usurpatio überführt. Erst im Hochmittelalter entstand also die historisch-wirtschaftliche Notwendigkeit, die technischen Möglichkeiten der Mühle weiterzuführen und in Bereiche außerhalb der Getreidevermahlung einzuführen. 

Quelle: Martina Switalski


Energetische Stagnation der Neuzeit

Energiemangel war ein Haupthindernis für die wirtschaftliche Weiterentwicklung im neuzeitlichen Europa. Nach der mittelalterlichen Blüte des Mühlenwesens und der Ausdehnung des Mühlenprinzips auf andere gewerbliche Zweige gab es in der Folgezeit nur einige wenige technische Verbesserungen im Mühlenwesen. Mit der Erfindung des stehenden und des liegenden Zeugs fand man neue Kraftübertragungsmechanismen, die den Anschluss mehrerer Mahlgänge und somit einen effizienteren Wirkungsgrad erlaubten. Daneben half die mechanisierte Siebung des Beutelwerks und die verstellbare Panstereinrichtung bei unterschlächtigen Wasserrädern auffällige Mängel der bestehenden Technik zu beheben. Prinzipiell jedoch war die Mentalität der vorindustriellen Epoche trotz neuer Erkenntnisse der systematischen Naturwissenschaft nach Isaac Newtons Gesetzen der Mechanik und der Entdeckung der Gravitationsgesetze 1666, erfindungsfeindlich. Zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert wurde Althergebrachtes fraglos repetiert, sowie Werkzeuge und Herstellungsweisen der Altvorderen unverändert tradiert. Von den komplexen Gründen hierfür seien nur die dörflichen Abhängigkeitsverhältnisse und die Zünfte genannt. Die dörfliche Struktur war von der Abhängigkeit der Untertanen von Grundherren oder Landesfürsten geprägt. Jeder Einzelne unterlag der sozialen Kontrolle der Mitbewohner, die selbst auf kleine Veränderungen der Überlieferung ablehnend reagierten. Die Zünfte, wirtschaftlich-moralische Instanzen der aufblühenden Städte des Mittelalters, wandelten sich in der Neuzeit durch rigide Monopolstellungen und Vorschriften zu einem maßgeblichen Hindernis des Fortschritts. Leonhard Christian Sturm beschreibt diese technische Stagnation 1708 bezüglich der Getreidemühlen: „Was die Kornmühlen anbetrifft/ werde ich diese mit Stillschweigen vorbey gehen lassen/ weyl sie insgemein schon so bekannt ist allen Müllern/ und meines Wissens noch niemahls jemand auf den Gedanken gekommen/ daß etwas sonderliches daran zu verbessern sey“. Bei festgesetztem Lohn und Kundenstamm durch Mahlmitze und Mühlenzwang lohnte es sich nicht Mitanbieter durch Innovationen oder bessere Qualität zu überflügeln. Ein geregeltes Einkommen war den Müllern ohnehin sicher. 

FAZIT: Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts galt die Mühle als Inbegriff technischer Einrichtungen mit drehenden Bewegungen. Mühlen mahlten seit der "Mühlenrevolution" des Mittelalters (Fernand Braudel) nicht nur Korn, sondern hämmerten, stampften, pochten, schnitten, schliffen, zogen, walzten, sägten, betrieben Pumpen und unterschiedlichste Maschinen, fachten Schmelzöfen an, hoben und senkten Lasten, bewässerten Ackerland und legten Sümpfe und Seen trocken – kurz, sie verkörperten nicht bloß Geschichte, sie machten sie auch und gehören seit dem Spätmittelalter zu einer „der charakteristischsten materiellen Spuren der westlichen Zivilisation

Quelle: Martina Switalski