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Mühlen

Zahlen, Fakten und Faszination

Mühlen allerorten und aller Arten

Mühlen sind selten geworden, auch in Franken. Dabei waren sie bis vor wenigen Jahrzehnten in großer Zahl übers Land verteilt. Oft folgten sie im Abstand von wenigen Kilometern dicht an Bach- und Flußläufen oder sie lagen verschwiegen in Seitentälern abseits der Orte dann wieder als Dorfmühle mittendrin. Heute erinnern manchmal nur noch die Namen an ihre Existenz, der Mahlbetrieb ist längst eingestellt, Mühlbäche und Mühlweiher zugeschüttet. Die Gebäude selbst stehen gelegentlich noch, aber als technische Anlage hat die Mühle in den meisten Fällen ausgedient. Die Zeit der alten Mühlenherrlichkeit ist vorbei - und was bedeuteten die Mühlen doch einst für die Menschen, für ihr tägliches Brot! Die Erinnerung daran verblasst mehr und mehr und wird in einer Generation kaum mehr vorhanden sein - übrig bleiben einzelne. zu Wochenendhäusern umgebaute Mühlengebäude und vielleicht romantisch geprägte Vorstellungen von klappernden Mühlen am rauschenden Bach, ohne konkreten Bezug zur einstigen Wirklichkeit, ohne Kenntnis von der elementaren Bedeutung der Mühlen für die menschliche Ernährung und für ihre Rolle bei der technischen Entwicklung seit dem Mittelalter.

Die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung und die vielen Betreiber und Betreuer der historischen Mühlen erkennen mehr und mehr, dass die ehrwürdigen Denkmale der Technikgeschichte wieder zu dem werden, was sie einst waren: zu Begegnungsstätten des menschlichen Alltags. Es ist fast wie damals, als an den Mühlen noch reges Treiben herrschte, nur mit dem Unterschied, dass die heutigen "Mahlgäste" kein Korn und kein Mehl mit sich führen

Mit dem Öffnen der Mühlen am Pfingstmontag möchten wir allen Gästen und Besuchern danken für ihr Interesse an der Mühlenerhaltung, Die Gemeinschaft aller Bürgerinnen und Bürger ist es schließlich, die durch Engagement, durch Spenden und positive Zuneigung den Erhalt von Kulturgut erst möglich macht.

Das ist uns Anlass genug, allen unsere Hochachtung und Anerkennung auszusprechen, die an unserer Seite sind. Aber wir haben auch eine Bitte an unsere Besucher: Machen Sie sich selbst eine Freude und allen denen, die durch ihre aufopferungsvolle Pflege zum Erhalt eines bedeutenden Teiles unserer Kulturlandschaft beitragen!

Deutscher Mühlentag am Pfingstmontag, 21. Mai 2018

Wir waren überwältigt vom Interesse und dem Zuspruch den wir von unseren Gästen bekommen hatten. Nachfolgend einige Impressionen.

Zahlen und Fakten

Anzahl der Betriebe
Anzahl Betriebe   im Jahr 1882
(Statistik des Verbands deutscher Müller)
bis 5 Beschäftigte:   50.471
6 - 10 Beschäftigte:   626
11 - 50 Beschäftigte:   568
51 - 200 Beschäftigte:   31
über 200 Beschäftigte   2
Summe:   51.698
Zahl der Mühlenbetriebe
Zahl der Mühlenbetriebe in Deutschland davon Preußen
1875 59.900 34.880
1895 52.400  
1907 45.000 28.000
1925 35.000  
1933 31.000  
1950 15.000  
1960 6.400  
1990 1.400  
2019 190  
Einige Zahlen im Abstand von 100 Jahren
Weltgetreideernte Mill. Tonnen:  um 1898 1998
 Weizen: 70 600
 Roggen: 40 25
Deutsche Ernte Mill. Tonnen: Dt. Reich um 1898  BRD 1998
 Weizen: 3,4 20,0
 Roggen: 7,0 4,7
Erträge in dz/ha (in Deutschland):    
 Weizen: 20 - 21 70 - 75
 Roggen: 15 - 17  50 - 55
Mehlverbrauch in kg/Kopf und Jahr:    
 Weizen: 65 65
 Roggen: 100 16
Löhne und Gehälter
Ein Direktor erhält monatlich:   750 Mark
der 1. Prokurist:   375 Mark
der 2. Prokurist:   350 Mark
der Betriebsleiter:   400 Mark
die "Beamten" (das Büropersonal):   200-250 Mark
Das Mühlenpersonal erhält Schicht- oder Wochenlohn:    
für Müller- oder Maschinenmeister:   27 Mark
Gesellen "vor dem Zeug":   23 Mark
Mühlenarbeiter:   21 Mark
Kutscher:   16 Mark
Mit Trinkgeld: 18 Mark

Absacker und Arbeiter erhalten einen Stundenlohn von 34 Pfennig, aber nur für die reine Arbeitszeit, Pausen sind unbezahlt. Bei 10 Stunden mal 25 sind das 85,-- Mark monatlich.

Quelle: Stefan Kastenmüller, Hasso Klabunde

Faszination Mühle

ln einer Mühle zu stehen ist ein besonderes Gefühl. Man wird schlagartig davon erfasst. Weil das ganze Gebäude vibriert und wummert und klopft und rauscht und pfeift. Alles hängt mit allem zusammen, die Scheiben mit den Riemen mit den Rohren und den Leitungen und allen anderen Apparaturen. Man spürt, wie die Mühle arbeitet, wie sie sich müht, wie sie ackert, erfüllt vom Geruch frisch gemahlenen Getreides. 

Mühlen gelten als älteste Maschinen der Menschheit. Wasser- und Windmühlen, wie wir sie heute kennen, stammen ursprünglich aus Mesopotamien, wo sie bereits im 5. Jahrhundert vor Christus bekannt waren. Nachdem sie sich im antiken Griechenland durchgesetzt hatten, fanden insbesondere die Römer Gefallen an der neuen Technologie. Durch die Römer gelangten Mühlen schließlich in die Alpen, nach Spanien und Frankreich. Allein die Germanen taten sich schwer mit ihnen. Als Verehrer der Naturgewalten sahen sie in Mühlen Teufelswerk, das Wind und Wasser tötet, beim Dreschen und Mahlen des Korns den Vegetationsgeist zerstört und so den Groll der Götter herausfordert.

Es dauerte bis zum 4. Jahrhundert nach Christus, ehe sich die ersten Wassermühlen etablierten. Urkundlich erfasst wurden sie seit dem 13. und 14. Jahrhundert. Beinahe jedes Dorf hatte damals eine Mühle.

Die Technik ist aber nur eine Seite, die Mühlen so faszinierend macht. Kaum ein anderer Technikbereich ist zugleich ähnlich von Sagen, Mythen und Märchen umrankt wie die Mühlengeschichte. Das mag daran liegen, dass Mühlen früher häufig abseits von Siedlungen, nicht selten im Wald errichtet wurden. Sie standen an vermeintlich verwunschenen Plätzen. Sie waren nicht für jeden zugänglich und machten tagein, tagaus mysteriöse Geräusche. Viele hielten Mühlen daher für verfluchte Orte, an denen Geister ihr schreckliches Regiment führen. Für Don Quijote waren sie gar feigherzige und niederträchtige Kreaturen. Und der Müller war mit ihnen im Bunde. Wie sollte es anders sein?

Der Müller nimmt bald eine Sonderstellung in der Gesellschaft ein. Er ist verantwortlich für die Veredelung von Rohstoffen wie Mehl, Öl oder Flachs, die zentral sind für das Überleben. Er arbeitet selbstständig und erzielt durch die Kraft seiner Maschine beträchtliche Gewinne. Der Mahllohn beträgt immerhin ein Sechzehntel des Mahlguts. Meist betreibt der Müller nebenher Landwirtschaft, Handel oder eine Gastwirtschaft. Arme Müller sind die Ausnahme. Was wiederum zu Neid und Missgunst führt. Vor allem im Mittelalter ist der diebische Müller, der das Mahlgut streckt und dessen Tiere fetter sind als andere, verhasst. Dass der schönen Müllerin die Kunst der grenzenlosen Verführung nachgesagt wird, macht die Sache nicht besser.

Irgendwann spielen derlei Ressentiments keine Rolle mehr. Mühlen entwickeln einen guten Ruf, weil sie wichtige Treffpunkte, Umschlagplätze und Nachrichtenbörsen sind. In Mühlen treffen sich Bauern, fliegende Händler und fahrende Gesellen. Hier trifft nicht nur Ware auf Dienstleistung, hier wird auch anderweitig gehandelt und getratscht. Wer will Land kaufen, wer muss verkaufen? Welcher Bauernsohn ist auf Brautschau, welcher Tochter winkt eine solide Mitgift? Was tut sich in den nahe gelegenen Dörfern und Städten? Wie lebt es sich in anderen Regionen? Wer miteinander redet und Geschäfte macht, gehört zusammen. So entsteht Gemeinschaft.

Dieses Prinzip bleibt bis Mitte des 19. Jahrhunderts intakt. Zwar steigt die Zahl der Mühlen nach der Verkündung der Gewerbefreiheit. Doch schon bald beginnt der Siegeszug der Dampfmaschine und mit ihm das Mühlensterben. Sie macht Mühlen unabhängig von den Naturgewalten. Turbinen verdrängen Wasserräder. Förderschnecken, Elevatoren und Walzenstühle kommen in Mode. Mühlen aus Holz werden zunehmend durch gemauerte Gebäude ersetzt. Dafür sind hohe Investitionen nötig, die kleine Mühlen nicht aufbringen können. Hinzu kommt, dass die Bedeutung der Kartoffel als Nahrungsmittel zunimmt, der Getreideverbrauch sinkt, auch weil Bauern ihr Futterschrot inzwischen selbst herstellen.

Die zweite Welle des Mühlensterbens in Deutschland beginnt nach dem Zweiten Weltkrieg, als Anfang der Fünfzigerjahre die Mehlpreise kollabieren. Zwar greift die Politik regulierend ein, allerdings verfolgt sie primär die Interessen der Großmühlen. Von 1955 an dürfen keine neuen Mühlen errichtet werden. 1957 verabschiedet die Bonner Regierung das Mühlenstilllegungsgesetz. Jede Mühle, die ihren Betrieb für mindestens 30 Jahre einstellt, erhält 9000 Mark pro Tonne Tagesleistung. Viele erkennen nicht, dass sie damit ihre Existenz verscherbeln. 

Interessante Notiz am Rande: Elisabeth Adenauer, die jüngste Tochter des damaligen Kanzlers, ist seit 1950 mit Hermann Josef Werhan verheiratet, dem Erben der Wilh. Werhan KG, einem der größten Mühlenkonzerne des Landes.

Die meisten traditionellen Mühlen sind heute nur noch Relikte einer vergessenen Tradition. 

Aus Gerhard Waldherr: 1000 Mühlen braucht das Land